Rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr in Deutschland in selbigen. Die Reduktion von Lebensmittelabfällen sieht die Bundesregierung als Aufgabe der ganzen Gesellschaft an. Deshalb rief die Ernährungsministerin Julia Klöckner 2019 die „Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ ins Leben. Sie soll Lebensmittelabfälle pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene um die Hälfte senken und auch Verderb entlang der Produktions- und Lieferketten reduzieren – durch innovative Technologie.
Die Strategie: Verderbsreduktion im Lebensmitteleinzelhandel
Zu der Strategie gehört unter anderem das „2020-2022 Dialogforum Groß- und Einzelhandel zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“. Diesem sind bereits mehrere namhafte Händler beigetreten und haben sich damit verpflichtet, bis 2022 verbindliche Maßnahmen zu Reduzierung von Verderb und Abschriften zu ergreifen. Unter anderem beteiligen sich bisher Lidl, Aldi Süd, EDEKA, die REWE Group, Tegut, Wasgau, Transgourmet, Alnatura und HelloFRESH an der Initiative.
Maßnahmen, die von den Händlern umgesetzt werden sollen, sind zum Beispiel:
- Optimierung der Prozess-, Logistik- und Kühlkette
- preisreduzierter Verkauf von Waren mit knappem MHD
- preisreduzierter Verkauf von Ultrafrischwaren (Brot, Obst und Gemüse) zum Ladenschluss
- nachfrageorientierte Auffüllung des Frischwarenangebots besonders zu frequenzschwachen Tageszeiten
- Erfassung von aussagekräftigen Lebensmittelabfalldaten und eine Verbesserung der Datenlage
- Etablierung und Weiterentwicklung von Prozessroutinen bei der Bereitstellung und Abholung von Produkten, beispielsweise mit Hilfe digitaler Technologien
Zusätzlich wird in der Beitrittserklärung des Dialogforums darauf hingewiesen, dass weitere Maßnahmen wie der Einsatz KI-basierter Tools zur Verderbsreduktion möglich sind.
Hohe Kosten durch Verderb
Eine Studie von RELEX und EnsembleIQ fand heraus: Das Angebot von Frischwaren ist für 60 Prozent der befragten Händler unabdingbar, um Verbraucher anzulocken und zu halten, für 40 Prozent sind frische Lebensmittel ebenso wichtig wie das restliche Sortiment. Keiner der Händler bewertete Frischeprodukte damit als unwichtig für den Erfolg. Gleichzeitig verlieren zwei von drei Lebensmitteleinzelhändlern laut einer Studie 1,5 Prozent ihres Jahresumsatzes durch Lebensmittelverderb. Bei einer Supermarktkette mit einem jährlichen Umsatz von einer Milliarde Euro landen also 15 Millionen Euro direkt in der Tonne. Lebensmittelabfälle zu reduzieren, ist daher nicht nur eine Frage der Nachhaltigkeit, sondern fördert die Treue der Konsumenten und bedeutet immense Kosteneinsparungen für Händler.
Verderbsreduktion durch intelligente Technik und Planung
Frische ist nicht leicht zu managen. Tatsächlich ist sie eine der größten Herausforderungen im LEH. Die Ursache für hohen Verderb liegt oft in schlechter Supply-Chain-Planung. So entspricht das Supply-Chain-Management der Mehrzahl der in der Studie befragten Lebensmitteleinzelhändler nicht den Best Practices.
Am effektivsten wird Verderb durch die Implementierung integrierter Supply-Chain-Prozesse reduziert – und zwar dann, wenn sich die automatische Dispositionsplanung auf genaue Absatzprognosen stützt. Dispositionspläne sollten granulare Prognosen auf Tagesebene, dynamische Sicherheitsbestände und automatische Verderbskontrolle berücksichtigen. Das garantiert, dass die richtige Menge Frischwaren verfügbar ist, um die Kundennachfrage zu befriedigen, ohne dass Händler Einbußen durch Verderb erleiden. Lebensmitteleinzelhändler, deren Disposition nicht auf automatischen Absatzprognosen beruht, haben ein fünfmal höheres Risiko von überdurchschnittlichen Verderbsraten.
Der größte Anteil der Befragten, die aussagten, dass sie den Verderb erfolgreich eindämmen konnten, nutzte moderne, fortschrittliche Systeme für Absatzprognosen. Dagegen verzeichneten Händler, die nur mit einem ERP-System arbeiteten, im Vergleich hohe Lebensmittelabfälle. Tatsächlich waren sogar die Unternehmen, die ihre Prognosen noch manuell mittels Tabellenkalkulation berechneten, in diesem Bereich erfolgreicher.
Händler, die eine Software zur integrierten Prognostizierung und Disposition implementieren, erleben eine Verderbsreduktion von bis zu 40 Prozent und eine Senkung des Bestands um 30 Prozent. Andere Richtwerte sind zum Beispiel die Minimierung von Out-of-Stocks um 85 Prozent, eine Verfügbarkeit von über 99 Prozent und 50 Prozent Zeitersparnis bei Bestellungen. „Es ist überraschend, dass einer von fünf befragten Händlern noch keine Lösung zur automatischen Filialdisposition nutzt. Nur weniger als ein Drittel arbeitet bislang mit solchen Tools – es gibt also noch eine ganze Menge Potenzial, Kosten zu sparen“, so Johanna Småros, Co-Founder und CMO von RELEX Solutions.
Automatisierte Supply-Chain-Planung für mehr Nachhaltigkeit und geringere Kosten
Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Nutzung integrierter Prognose- und Dispositionstechnologie und niedrigeren Verderbsraten: RELEX-Kunden reduzieren beispielsweise ihren Verderb um 20 bis 40 Prozent, addieren 25 Prozent zu ihrem üblichen Lebensmittelprofit sowie rund zwei Prozent zu ihren Umsätzen.
Zusammen mit Gaia Consulting führte RELEX Anfang 2020 eine unabhängige Untersuchung durch: Mithilfe einer mathematischen Formel wurde die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Verderbsreduktion hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Klimabilanz gemessen. So reduzierte beispielsweise die Supermarktkette Bünting mit RELEX ihre CO2-Emissionen um 27 Prozent, was 265.000 eingesparten Kilogramm Kohlendioxid entspricht. Erreicht wurde das durch die Minimierung von Verderb, bessere Auslastung der Lkw und Optimierung der Liefertage für die Filialdisposition. Die RELEX-Plattform nutzt interne Handelsdaten und bezieht externe Faktoren wie Wetter, Events, Saisons oder Feiertage ein, um durch präzise Prognosen die Absatzplanung zu optimieren. Pragmatische KI und Machine-Learning-Technologie automatisieren und optimieren Disposition und Allokation selbst für die schwierigsten Kategorien: von Frische- und Saisonprodukten hin zu Neueinführungen und Kampagnenartikeln. Für das gemeinsame Projekt erhielten Bünting und RELEX den Retail Systems Award.
Die Vermeidung von Verderb und die Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit kamen in den untersuchten Unternehmen nicht nur der Umwelt zugute: Sie machen sich auch in der Geschäftsbilanz positiv bemerkbar. Alle Händler reduzierten ihre Verderbskosten deutlich und messbar durch die Nutzung der RELEX-Software. Weniger Verderb lässt sich direkt in bessere Margen und erhöhte Profitabilität übersetzen.
Auch die Optimierung von Markdowns hilft, Verderb mit maximalen Margen zu reduzieren. Doch gerade Lebensmitteleinzelhändler arbeiten oft ohne jeglichen Markdown-Prozess oder planen manuell mit Tabellen. Das kostet sie Milliarden. Eine Software zur Markdown-Optimierung automatisiert die Aufgaben, mit denen Planer sich schwertun: Sie nutzt Absatzprognosen, um potenzielle Überbestände zu identifizieren, bevor Produkte ihr Verfallsdatum erreichen. Zudem schlägt sie den optimalen Rabattpreis vor, um je nach Unternehmensstrategie entweder Waren komplett abzuverkaufen oder die Margen zu maximieren. Das führt beispielsweise zu 133 Prozent höherem Bestandsumschlag bei rabattierter Ware und 25 Prozent geringeren Restbeständen nach Kampagnenende.
Die Technologie-Strategien, die Lebensmitteleinzelhändler heute festlegen, beeinflussen ihr Geschäft auf viele Jahre. Es lohnt sich also, lieber früher als später in ganzheitliche Planung zu investieren. So reduzieren Händler nicht nur Verderb und Lebensmittelabfälle, sondern optimieren ihre gesamte Handelsplanung ganzheitlich und effizient. Und das bereits wenige Monate nach Implementierung, nicht erst 2030.